Nindorf
Hanf aus der Nordheide: Die erste Ernte
Rückblick: „Fangt ihr jetzt an zu kiffen?“ Diese Frage musste sich Marion Hensel von Freunden und Bekannten gefallen lassen, als die Jesteburgerin ihnen von ihren Plänen erzählte, Hanf in der Nordheide anzubauen.
Jesteburg. „Es hat ein wenig gedauert, bis wir seinerzeit allen erklärt hatten, dass wir lediglich Nutz-Hanf anbauen wollen, der wegen seines geringen Tetrahydrocannabinol-Gehalts nicht zur Gewinnung von Haschisch und Marihuana taugt und keinerlei berauschende Wirkung hat“, sagt Marion Hensel rückblickend.
Die Unternehmerin aus Jesteburg hat just die erste eigene Ernte vom 1,5 Hektar großen Hanf-Feld bei Nindorf eingefahren. Bereits seit 2010 vertreibt die 44-Jährige Produkte aus Nutz-Hanf. Zur Angebotspalette ihrer Firma Hanf-Schnitt-Nord zählen unter anderem Hanf-Gesichtscreme, Hanf-Zitrus-Shampoo, Hanf-Müsli, Cannabis-Energy-Drinks oder Plüschtiere, Bettwäsche oder Taschen aus Hanf. Dass sie einmal Hanf-Produkte verkaufen und sogar auf ihrer eigenen Hanf-Plantage die bis zu vier Meter hohen Pflanzen mit dem lateinischen Namen Cannabis sativa anbauen wird, hätte sich Marion Hensel „niemals träumen lassen“, wie sie sagt.
Die Initialzündung erfolgte 2010, als sie gemeinsam mit ihrem Mann Markus und Tochter Nadine Urlaub in der Hanf-Hochburg Amsterdam machte. „Um die berauschenden Hanfprodukte haben wir natürlich einen großen Bogen gemacht, aber unser Interesse an dieser vielseitigen Pflanze war geweckt. Wir haben dann im Internet recherchiert, was man aus Nutz-Hanf alles machen kann“, erzählt die Unternehmerin. Hanf werde schon seit Hunderten von Jahren angebaut und sei so vielseitig nutzbar wie kaum eine andere Pflanze. „Hanf erlebt zurzeit eine wahre Renaissance. Die Pflanze findet zunehmend wieder Verwendung in der Medizin, in der Nahrungsmittelindustrie und in der Textilbranche“, sagt Marion Hensel. „Kaum jemand weiß zum Beispiel, dass heute in jedem modernen Auto Hanf-Produkte in Faserverbundstoffen Verwendung finden“, sagt Marion Hensel. Die ersten Hanf-Produkte ließ sie 2010 aus Rohware herstellen, die sie über den Großhandel aus Finnland bezog. „Unsere Hanf-Produkte sind biologisch rein, weil beim Anbau keine Pflanzenschutzmittel oder sonstige Chemie eingesetzt werden“, sagt sie. Die nächste Produktion soll aus der ersten eigenen Ernte auf den Markt gebracht werden. Als nachwachsender Rohstoff könnte Hanf in Zukunft auch auf dem Energiesektor als Biomasse eine bedeutende Rolle spielen, sagt Ehemann Markus Hensel, der an der Wetternstraße in Harburg einen Brennstoffhandel betreibt.
Jetzt ist das Ehepaar erst mal „froh, dass die Ernte eingefahren ist“. Die ganze Hanf-Pflanze wird genutzt. Blätter und Blüten werden gepflückt: „Daraus machen wir Tees oder ätherische Öle“, sagt Marion Hensel. Hanf-Samen werden geröstet (schmecken ähnlich wie gebrannte Mandeln) oder zu Speiseöl verarbeitet. Aus den Stielen werden Fasern und Zellstoff gewonnen. „In der Seeschifffahrt waren früher alle Seile aus Hanf geflochten, und der Klempner benutzt Hanf schon immer zum Abdichten“, weiß die Hanf-Expertin.
Carsten Weede